Florian Summa, Leipzig

Preisträger BDA-Architekturpreis Nike 2022
Preisträger BDA Preis Bayern 2022

San Riemo, München

München

Florian Summa, Leipzig

San Riemo, München

München
Projekt
San Riemo, München
Architekt
ARGE SUMMACUMFEMMER BÜRO JULIANE GREB
Bauherr
KOOPERATIVE GROSSSTADT eG

Votum der Jury Nike 2022

Vor dem Hintergrund bedrückender Monotonie im deutschen Wohnungsneubau ragt dieses gemeinschaftlich orientierte Genossenschaftsprojekt der „Kooperative Großstadt“ in München in mehrerlei Hinsicht heraus: durch die erstaunliche Flexibilität des Nukleus-Wohnens, mit der auf sich ändernde Nutzungsanforderungen der Bewohnerinnen und Bewohner reagiert werden kann, die selbstverständliche Integration von Gewerbeflächen, den eigenständigen architektonischen Ausdruck des Bauwerks sowie das Engagement und den Mut der Bauherren, auf der Grundlage eines öffentlichen Architektenwettbewerbs ein beispielhaftes Wohnexperiment zu schaffen.

Rund 100 Menschen wohnen hier in unterschiedlichsten Wohnformen, die sich bei Bedarf zusammenschalten lassen – von kleinen Apartments über Familienwohnungen bis hin zu großen Wohngemeinschaften. Die Architektur der fünfgeschossigen, robusten Grundstruktur ermöglicht diese Wohnformen zwischen den Fassadenschichten aus Wintergarten und Balkon als hochverdichtete Packung von additiven gefügten Räumen. Der Variantenreichtum entsteht durch das flexible Befüllen der Tragstruktur – so können auf gleicher Fläche zahlreiche Individualräume oder auch Gemeinschaftsflächen geschaffen werden.

Die Jury erkennt in dem Bau eine „zeitgenössische Infrastruktur für verschiedene Lebensziele“, die den sozialen Anspruch ihres Konzepts auch in der rau-sinnlichen Ästhetik der Architektur widerspiegelt.

Preisträger

BDA-Architekturpreis Nike 2022 – Nike für soziales Engagement

Preisträger

BDA Preis Bayern 2022 – Preis der Jury

An der Namensgebung von Projekten erkennt man doch ganz gut die Geisteshaltung der Bauherrinnen und Bauherren. Im Fall von «San Riemo» ist diese herrliche Vieldeutigkeit auch Programm: Im Namen versteckt ist ein kritisches Augenzwinkern in Richtung gängiger Investorenbauten, ein wenig Sehnsucht nach Dolce Vita und ein High five an den Stadtteil München Riem. Nun, nicht nur der Name, auch der Bau selbst strahlt eine heitere Gelassenheit aus: die großen Fenster im Erdgeschoss, die gewellten Bleche der Fassade, die türkisfarbenen Elemente, das große dreieckige Fenster, das den Eingang markiert. All das tanzt aus der Reihe. Denn San Riemo macht sehr vieles sehr anders und besser als das Gros seiner Nachbargebäude.

Bemerkenswert ist der Prozess, mit dem die Bauherrin, die Genossenschaft «Kooperative Großstadt», die Realisierung ihres ersten Projekts anging: Statt intern eine Architektin oder einen Architekten zu beauftragen, lobten sie für ihr ehrgeiziges Vorhaben einen Wettbewerb aus. Die Jurysitzung war öffentlich. Diese Transparenz erlaubte es, dass alle der Genossenschaft mitverfolgen konnten, warum und wie Entscheidungen bei solch einem Vorgehen getroffen werden. Die Ziele des Bauvorhabens waren hoch: Es sollte ein beispielhafter, nachhaltiger, flexibel nutzbarer Wohnungsbau entstehen, der über qualitativ hochwertige Gemeinschaftsflächen verfügt und bezahlbaren Wohnraum bietet.

Die konkrete Gestaltfindung und Ausführung sind ein vorbildliches Abwägen, ein Ausloten des gegebenen Regelwerks, um die selbst gesteckten Ziele zu erfüllen. So entschied man sich beispielsweise, nicht den geförderten KfW55-Standard zu erfüllen. Denn um diesen letztlich zu erreichen, hätte man mehr Ressourcen verbrauchen und vor allem mehr Technik verbauen müssen. Dies würde aber, langfristig betrachtet, den kompletten CO2-Abdruck letztlich vergrößern und die Wartung kostenintensiver gestalten.

Die selbstbewusste Architektur bietet dem komplexen und vielschichtigen Programm die notwendige Robustheit, erlaubt Aneignung und Veränderungen und fördert den Austausch zwischen den Nutzerinnen und Nutzern. Auch durch die experimentellen Grundrisse der Wohnungen, die sich über das simple Zuschalten von Räumen verkleinern beziehungsweise vergrößern lassen, leistet das Projekt Pionierarbeit. «San Riemo» zeigt dem Markt neue Möglichkeiten, Wohnungen über die üblichen Drei-Zimmer-Küche-Bad hinaus zu denken. Das gelingt dem Projekt auch im städtischen Maßstab: Gleich nebenan befindet sich der lang gestreckte Baukörper des genossenschaftlichen Projekts Rio Riem. Die Bewohnerschaft der beiden Genossenschaften nutzt hausübergreifend Gemeinschaftsräume, Gärten, Gästezimmer und Fahrzeuge und schafft in dieser Kooperative eine lebendige, inklusive Nachbarschaft. Mit der Auszeichnung möchte die Jury einstimmig den Vorbildcharakter von «San Riemo» würdigen: Es braucht mehr solche mutigen Projekte – im städtischen wie auch im ländlichen Raum.